Steter Tropfen höhlt den Stein! So langsam ist der Gletschertopf nicht entstanden.
Es benötigte doch den hohen Druck großer Mengen Schmelzwassers das mit bis zu 200 km/h durch eine Engstelle gepresst wurde, wobei der mitgeführte Sand den Gletschertopf aus dem Gestein herausschmiergelte. Dabei muss dieses Hindernis zudem so beschaffen gewesen sein, dass ein Wirbel entstand und so dieses Loch formte.
Dennoch dauerte es sicher mehrere Lebensalter bis sich das Loch in der heutigen Größe geformt hatte und dann nochmal 25.000 Jahre bis wir ihn heute betrachten können.
Die Tropfen aus der Amphore imitieren dieses natürliche Zeitmaß. Der Gletschertopf zeigt die Bedeutung und Wirkung von Dauer, wie auch die Wirkung vieler kleinen Prozesse: es waren nicht große Steine sondern Sand, die den Gletschertopf hervorbrachten.
Hier besteht eine assoziative Verbindung in die Menschenwelt:
Viele kleine Aktionen können großes bewirken. Jede kleine individuelle (lokale) Handlung kann ihren Beitrag zu einem Ziel leisten bis hin zu Wirkungen im globalen Maßstab, wenn diese mit Geduld und in der Gemeinschaft von möglichst vielen Menschen mit entsprechenden Zielen erfolgen:
Die Stimme der Vernunft ist leise, aber ausdauernd
(nach Siegmund Freud)
Diese Ausdauer ist aber ohne Hoffnung nicht denkbar. Deshalb das zweite Schild:
Der Ort der Zeit ist die Hoffnung
(Anonymus)
Es braucht immer Hoffnung Änderungen anzustreben und so Zukunft zu realisieren: Ohne Hoffnung keine Zukunft.
Zurück zum Gletschertopf
Der Gletschertopf ist aus einem Wasserwirbel entstanden. Wirbel entstehen nur durch Hindernisse und im Umfeld von Hindernissen! Diese Gemeinschaft, die ein Ziel anstrebt muss also nicht uniform, im Gleichschritt ‚an einem Strang ziehen‘. Im Gegenteil sind besonders solche Gemeinschaften besonders lebendig wirkungsvoll, die sich bei prinzipieller Übereinstimmung durchaus anstrengende Differenzen, Reibungen, Heterogenität zumuten! Uniforme Gesellschaften ebenso wie individualistische Gesellschaften in der die – ja nur scheinbare – Toleranz das BeGEGNEN (Buber) verhindert bilden keine Wirbel!
Lebendiges Begegnen ist leidenschaftlich!
(das dritte Schild)
Peter Rödler 2021
Scheffau 16.-22.08.2021
Zusammenfassung:
Die heutige westliche Welt behauptet die Freiheit der Individuen zu schützen und betreibt gleichzeitig die Normierung der Menschen, die von frühester Kindheit an Standards gemessen werden. Das Individuum wird dabei nicht in seinen sozialen Beziehungen sondern rein individuell gesehen und damit von den Mitmenschen und der zwischenmenschlichen Kultur isoliert.
Das Dogma der absoluten Freiheit, die unsere Gesellschaft für jeden Einzelnen ohne soziale Verbindlichkeit fordert, fördert eine kulturell entleerte ‚Toleranz‘, die die Menschen letztlich vereinsamt.
Die Menschen verfügen, im Gegensatz zu Tieren, nur über einen reduzierten Instinkt, der für eine gelingende Wahrnehmung der Welt nicht ausreicht. Sie ersetzen diesen Mangel aber durch Sprache, Kultur und schaffen so ein soziales Netz, dass den Austausch kultureller Bedeutungen ermöglicht und so jedem Individuum einen Eigen-Sinn als Instinktersatz ermöglicht. Menschen haben anfänglich keine eigene Erfahrungswelt (Eigen-Sinn), sondern sie schaffen sie sich von Anfang an und immer wieder neu aus sozialen Begegnungen, Dialogen oder Kooperationen heraus. Sie sind von diesem Austausch existenziell abhängig!
Deutungen sind aber keine Fakten oder Zahlen - im Gegenteil geben Sie diesen erst Ihre Bedeutung – sondern Meinungen, Urteile, Haltungen, Perspektiven. Dies ist aber die zentrale Domäne der Kunst! Kunst mit ihren individuellen Ausdrucksmöglichkeiten hingegen hilft, Bedeutungen mitzuteilen und Gedanken aufzunehmen. Natürlich gibt es hier kein Verstehen wie bei der Funktion von Maschinen. Aber es gibt den unendlichen Dialog zwischen Menschen der, gleich einem verlebendigenden Tanz um einander. in gleicherweise Nähe erzeugt und trennt. Menschliche Be-Gegnung ist leidenschaftlich.